Stefan's Email
Hallo Tour 41
Ich hatte versucht, noch einmal anzurufen, aber vielleicht ist es besser, wenn ich einfach schreibe. Danke für den Kontakt, den wir hatten, wenn auch kurz. Sie hatten erwähnt, dass Ihr Team mich noch kontaktieren würde, das kommt ja vielleicht noch.
Der Artikel von Philip auf ihrer Webseite ist jetzt verändert.
Sie haben die direkte Anschuldigung gegen seine Eltern herausgenommen, und bei dem großen Foto von uns, auf welches Philip mit dem Finger zeigt, sind jetzt die Augenpartien geschwärzt. Sie stellen aber Philips Geschichte immer noch als wahr und bewiesen dar, schreiben dass „dieTäter“ „dank Verjährung“ jetzt in Deutschland ihren Lebensabend verbringen. Sie nehmen seine Anklagen für bare Münze und verweisen mit einem Link auf sein Buch, das angeblich „nach einer wahren Geschichte“ geschrieben ist, in welchem es also gar nicht das Ziel ist, Fakten von Fantasie zu trennen.
Wenn jemand sagt, daß die Verbrechen, welche Philip schildert, verjährt sind, dann ist das eine falsche Aussage. Die Verbrechen, die Philip beschreibt, sind keine verjährten Verbrechen! Sie wären verjährt, wenn sie geschehen wären. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Und übrigens auch der Grund, warum ich mit meinem Sohn nicht über seine Webseite Kontakt aufnehmen kann, denn in diesem Drama, diesem Theater, das Philip dort aufführt, ist meine „Rolle“ schon festgeschrieben: „Der Leugner.“ In diesem Schauspiel gibt es keinen Austausch, keinen Dialog, und je mehr Philip versucht, seine Beziehung zu mir und meiner Frau, und unsere Beziehung zu ihm, in die Öffentlichkeit zu ziehen, desto weniger Möglichkeit bleibt ihm, irgendwelche Eingeständnisse seiner Fehler oder irgendwelche Abstriche in seinen fantastischen Schilderungen zu machen. Die behaupteten Verbrechen wären verjährt, wenn sie geschehen wären. Die angeblichen Verbrechen sind weder verifizierbar, noch falsifizierbar.
Das Thema der Beziehung zwischen Philip und meiner Frau und mir weiter so extrem polarisiert in der Öffentlichkeit zu forcieren, hat mit Aktivismus gegen Verjährung von Gewalt an Kindern nichts zu tun, sondern dient lediglich Versuchen, uns persönlich zu schaden, was ich aber Ihrerseits für unbeabsichtigt halte.
Der Diskurs der Verjährung von Kindesmisbrauch sollte auf nüchterne Weise in der Öffentlichkeit ausgetragen werden unter Erwägung möglichst aller Faktoren, die in das Thema mit einspielen. Es gibt viele Leute, die sich ernsthaft in dieser Sache bemühen und die Konsequenzen möglicher Entscheidungen abwägen, in Bürgerinitiativen wie Ihrer und auch unter Juristen und Politikern, Psychologen und Jugendarbeitern.
Wie Sie sicher wissen, verjährt Kindesmisbrauch in den USA und in England nicht. Man konnte daraus lernen, daß die Nicht-Verjährung gute sowie schlechte Konsequenzen hat. Neben einer positiven abschreckenden Wirkung, resultiert daraus auch eine große Menge von Falsch-Anzeigen und Falsch-Verurteilungen, die in extremen Fällen erst nach Jahrzehnten wieder aufgehoben wurden. Unschuldig Angeklagten wurde dadurch das Leben ruiniert. Die Neurologie machte in den letzten Jahrzehnten auch große Fortschritte. Kein Fachkundiger wird heute sagen, dass das menschliche Erinnerungsvermögen so funkioniert wie ein Tonbandgerät oder ein Videorecorder, der einfach ein Geschehen aufnimmt und dann Jahre später vergangene Ereignisse neutral und objektiv wiedergibt. Jedesmal, wenn wir uns an etwas erinnern, färben die Emotionen, die wir gegenwärtig fühlen, die Erinnerung ein, und sie mischt sich auch mit dem, was andere uns erzählen oder was wir durch Medien aufgenommen haben. So entstehen falsche Einnerungen, wie es in der Psychologie genannt wird. So bilden sich auch Vorurteile und Mythen im sozialen gesellschaftlichen Gedächtnis. Randgruppen werden dadurch ausgegrenzt, verteufelt und verfolgt.
Jetzt möchte ich noch kurz auf das Thema „Pädophile Sex-Sekte“ kommen, was ja wohl das angebliche „Hauptbeweismaterial“ gegen mich und meine Frau sein soll.
In den 1970er und 1980er Jahren gab es in West Europa im Kielwasser der allgemeinen sexuellen Revolution die sogenannte Pädophilie-Debatte. Namenhafte Denker wie Jaques Derrida, Jean Paul Sartre und andere post-moderne Sozial-Kritiker in Frankreich und Deutschland plädierten in Petitionen an ihre Parlamente für eine Legalisierung von pädophilen Beziehungen.
Bernard Kouchner war in Frankreich einer der Mitunterzeichner. Er war Mitgründer der Ärzte ohne Grenzen und späterer Gesundheits-Minister in Frankreich.
In Deutschland war es eine Petition vom Bündnis 90, die Grünen, die ja jetzt in der Regierung mitwirken. Bücher über experimentelle sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern waren derzeit in den Buchläden erhältlich. Das berüchtigte deutsche Buch „Zeig Mal“ wurde mit einem staatlich gefördetem Buchpreis ausgezeichnet. Preise für derartige Bücher gab is in Deutschland noch bis zum Jahr 2007!
Die oberste Leiterschaft der „Children of God“ experimentierte Ende der 70er bis Anfang 80er Jahre mit Kinder-Sexualität und teilte die Erfahrungen damit in Rundbriefen. Niemals wurden wir dazu genötigt, diesen Beispielen zu folgen. Soweit ich aus persönlicher Erfahrung in meinem damaligen Umfeld beruteilen kann, fanden diese Briefe unter den Mitgliedern der örtlichen Gruppen der „Children of God“ keine große Resonanz. Wir persönlich, und auch, soweit wir wissen, die anderen Eltern in den Gemeinschaften, in welchen wir damals mit unserer Familie lebten, sahen davon ab, Pädophilie in unserer Kindererziehung zu praktizieren.
Es ist eines der verzerrendsten Klischees über die „Children of God“, dass alles, was der Leiter sagte und schrieb, sofort von allen in die Tat umgesetzt wurde und werden mußte. Wie gesagt, Pädophilie war in dieser Zeit in der westlichen Welt im öffentlich Diskurs, was vielleicht helfen könnte zu erklären, warum wir damals nicht sofort die Gruppe unter Protest verließen, wie man es heute erwarten könnte und müßte. Soweit ich mich erinnere, wurden von den Leitern der „Children of God“ ihre Meinungen und Aussagen über Kindersexualität 1984, aber spätestens 1985 widerrufen.
Im Gegensatz zu den Widerrufen öffentlicher Persönlichkeiten und politischer Parteien wurden die Widerrufe der Leiter der kleinen Randgruppe „Children of God“ von Kirchen und Medien ignoriert oder nicht anerkannt. Propagandahetze wurde unerbittlich weitergeführt.
Wie in der allgemeinen sexuellen Revolution gab es bei den „Children of God“ auch noch die Thematik über Neudefinitionen sexueller Beziehungen unter zustimmenden Erwachsenen, was vom Thema Pädophilie offensichtlich getrennt behandelt werden sollte, aber von Kirchen und Medien in einen Topf geworfen wurde.
Das „Sex-Sekten Image“ war und ist in manchen christlichen Kirchen immer noch dem Versuch dienlich zu beweisen, dass ein Abweichen von ihren überalterten Vorstellungen von Sexualmoral angeblich zu den abartigsten Perversionen führt.
Es ist ein häufig vorkommender Fehler in der Geschichts-Interpretation, dass der Eindruck erweckt wird, dass heutige Auffassungen und Erkennnisse schon alle Zeit als unumstritten galten.
Es gab damals sehr viel, für das es sich lohnte, in den „Children of God“ zu verbleiben. Der soziale Zusammenhalt in der Bewegung war zu dieser Zeit sehr gut, durchaus positiv. Pädophilie war auf lokaler Ebene nicht wirklich ein Thema und wurde von der lokalen Leiterschaft auch nicht ermutigt, jedenfalls nicht in Indien, wo wir zu der Zeit lebten. Ich bin kein Sprecher für die „Children of God“; wir haben die Gruppe vor 20 Jahren verlassen. Ich schildere hier lediglich meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen.
Ich beabsichtige nicht, Sie unbedingt von meinen Standpunkten und Erklärungen zu überzeugen. Gott sei Dank brauche ich das ja auch nicht, denn die sogenannte Beweislast liegt nicht bei mir.
Die Unschuldsvermutung ist eine der fundamentalen Errungenschaften der westlichen Gesellschaft.
Ein Verlust dieser Errungenschaft würde uns schlagartig ins Mittelalter zurückführen, in eine inquisitorische Gesellschaft, in welcher der Verdacht der Schuld gleichgesetzt ist. Philip rührt diese „Verdachtstrommel“ nicht nur, er erklärt seine Behauptungen als absolute Wahrheit, sieht sich als Opfer, Kläger, Richter, und in seinen Phantasien auch als Vollstrecker.
Ich sage nicht, dass Philip nicht gelitten hat, aber zu klären, was tatsächlich er gelitten hat, wann, warum, und durch wen, dazu bin ich derzeit nicht in der Lage, in direkten Gespräch mit ihm beizutragen, solange Philip mir die starre Rolle des „Leugners“ in seinem Horror-Schauspiel zuweist und vorschreibt. In seinen Videos gibt er vor, dass ich ihn bedroht hätte und auf Facebook rechtliche Konsequenzen angedroht hätte, wenn er weiterhin seine Behauptungen veröffentlichen würde. Das sind Unwahrheiten. Ich habe nicht einmal ein Facebook-Account.
Damit Drittpersonen überhaupt annähernd erkennen könnten, was Philip in seiner Vergangenheit geschehen ist, müsste er den Fundamental-Fehler in seiner Vorgehensweise erkennen, nämlich Rufmord, Verleumdung und Verhetzung mit „künstlerischer Freiheit“ zu entschuldigen und Brutal- und Fäkalsprache für einen Authentizitäts-Beweis zu halten. Der Schritt zu konstruktivem Dialog liegt zu diesem Zeitpunkt bei ihm.
So wie es aussieht, drehen Sie jetzt, ich nehme an unbeabsichtigt, an der Gerüchte-Mühle mit. Sie unterstüzen diese Gänsejagd indirekt, gerade genug, dass Sie meinen, keinen Irrtum zugeben zu müssen und dadurch kein Image verlieren, aber auch nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten. Damit schaden Sie meiner Meinung nach sich selbst und Ihrer Bürgerinitiative mehr als meiner Frau und mir, denn Verantwortung, Antworten - wirkliche ernsthafte Antworten - sind ihrer Bürgerinitiative sicherlich das Hauptanliegen.
Ich glaube nicht daran, anderen Leuten mit irgendwelchen Abmahnungen den Mund zu verbieten, weder Ihnen noch Philip. Mir geht es darum, daß wir verstehen lernen. Wie können wir lernen, wenn wir nicht frei sprechen können. Dann könnten wir auch nicht frei zugeben, Fehler gemacht zu haben und etwas falsch gesehen und voreilig beurteilt zu haben. Wir könnten nicht frei die Gabe geben, uns als verwundbar zu zeigen, indem wir einen möglichen Irrtum offenlegen. Um jemals zu einem Konsens kommen zu können, braucht es beiderseitig guten Willen, die andere Seite zu verstehen, selbst wenn es Zeitaufwand und innere Anstrengung bedeutet.
In Philips Erziehung habe ich viele Fehler gemacht und habe auch schon seit 20 Jahren wiederholt Anstrengungen gemacht, mich bei ihm dafür zu entschuldigen.
Dass in den „Children of God“ allgemein die Erwartung gehegt wurde, daß unsere Kinder „die Hoffnung der Zukunft“ waren, also daß ihre Zukunft schon auf eine Art vorgeplant war, war ein massiver Eingriff in ihre persönliche Entscheidungsfreiheit. Es war ein kolossaler Fehler, der zum Zusammenbruch der Bewegung beitrug und für viele eine psychische Belastung war. Wie gesagt, ich habe mich in den letzten 20 Jahren mehrfach bemüht, mich bei Philip zu entschuldigen.
An Fehlern in meiner Elternschaft hat es nicht gemangelt, jedoch diese „Freak-Show“, dieses absurde, perverse, pornographische Bild von Folter und Qual, das Philip von mir und meiner Frau und dadurch indirekt von sich selbst zur Schau stellt, ist wie sein Buch von Tommy: eine Horror-Fiktion, wie er es in seinen eigenen Worten auf You Tube nennt.
Philip hat auch eine sehr liebe Seite. Er liebt Kinder und kann sehr mitfühlend sein. Es hat mich beeindruckt, als ich seine Frau traf und sie sagte: „Als ich Philip zum ersten Mal traf, da wusste ich, dass ich ihm vertrauen konnte.“ Es freut mich, das er eine gute und starke Beziehung mit seiner Frau hat. Philip ist ein kreativer Ideen-Mensch, was sich auch in seiner Musik wiederspiegelt. Wenn er jedoch mit seinem Ideenpotential auf diese Hass-Schiene kommt, degradiert er sich zu einer Art grotesker Karikatur der diktatorischen Monster seiner Vorstellungswelt, die ihn angeblich zerstört haben.
Verärgerte ehemalige Mitglieder der „Children of God“ haben in Chatgruppen ihre Geschichten zusammengetragen, von welchen ich nicht beurteilen kann, was davon eventuell leider wahr ist, was übertrieben oder durch falsche Erinnerungen verzerrt oder inkorrekt dargestellt ist, oder was einfach haaresträubend erlogen ist. Jedenfalls hat Philip selbst gesagt, dass er traumatische Erzählungen anderer in seine Horror-Fiktion mit aufgenommen hat.
Jedenfalls lässt er auch in dem, was er nicht als Fiktion, sondern als absolut horrende Wahrheit über uns verbreitet, seiner Phantasie freien Lauf. Aber jemanden mit perversen pornographischen Fantasien zu kriminalisieren hat nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun, und auch nichts mit Aktivismus gegen Kindesmisbrauch. So etwas zu tun ist Misbrauch und daher den Zielen ihrer Bürgerinitiative entgegengesetzt.
Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten des Themas Verjährung von Kindesmisbrauch.
Jedoch angesichts der unlauteren Methodik und Präsentation seiner Sache ist Philip Seibel im Augenblick eher ein Parade-Beispiel, warum man die Verjährung nicht aufheben sollte. Ihm fehlt jedes Verständnis für die Komposition eines Rechtsstaates. Er spricht mir und meiner Frau den Schutz des Staates ab. Selbst ein Mörder im Zuchthaus hat Anspruch auf den Schutz des Staates. Es kann nicht jeder kommen und nach seinem Dünken mit einem überführten und rechtmäßig verurteilten Mörder tun, was er will.
Mit der Art und Weise, auf die Philip seine Kampagne führt, heizt er sich und andere Leute zur Selbstjustiz auf. Das ist der Grund, warum er in der Schweiz verhaftet wurde.
Sich kritiklos neben oder hinter Philip zu stellen, wird meiner Meinung nach das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Bürgerinitiative nicht vermehren, sondern vermindern.
Mit freundlichen Grüßen und Bereitschaft zu konstruktivem Dialog,
S. Seibel.
P.S. Am Telefon habe ich die Wikipedia Seite über die „Children of God“ erwähnt, damit meinte ich die Englische Seite. Sie war zur der Zeit, als ich sie gelesen habe, relativ ausgewogen. Wir haben gestern die Deutsche Seite angesehen. Diese gibt ein völlig verzerrtes Bild der Bewegung und enthält sogar eine Reihe von Lügen. Sie ist dreiste Propaganda. Wir haben uns schon lange nicht mehr mit Thema beschäftigt.